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margitschmidinger

Warum ich bleibe

Immer wieder fallen mir Geschenke zu, von Menschen, die ich gar nicht kenne. Die – so wie wir – ringen, ringen um diese Kirche, als ein Ort, der großen Wert für uns hat. Frau Dr. Walser drückt mit ihren Worten aus, was so viele empfinden:

Warum ich bleibe Ich suche einen Ort – nenn Du ihn Heimat, wenn du willst – wo das Geklingel aller Kassen schweigt und die brillanten Reden auch. Wo Trauer sein darf und auch Tränen und helles Lachen, wie es halt grad kommt. Wo jeder Wortschwall endlich aufhört, und so dem Schweigen seinen Raum gibt. In tiefer Dunkelheit, im Bauch von Mutter Kirche, brennt eine Kerze: Erzählt von meiner Trauer um den toten Freund, von meiner Sehnsucht nach Versöhnung, von alledem, was jämmerlich zerbrochen ist und nun im Dunkeln ruht. Dann lausche ich, ob jemand noch die Worte sagt, die selten laut zu hören sind, dort draußen in der Welt, und die wir doch so dringend bräuchten: Glaube. Hoffnung. Liebe. Ich such den Ort, an dem das wohnt, was nur im Schweigen zu ertasten ist und sich entzieht. Wo niemand jemals funktionieren muss und das Gesicht des Anderen heilig ist. Wo Arme weit geöffnet sind für mich, und Wunden endlich heilen können. Wo ich vertrauen darf, dass Menschen meine Hoffnung teilen, und meine Sehnsucht nach dem echten Leben, und auf ein Urteil gern verzichten, weil niemand immer alles weiß. Wo das Geplapper ganz verstummt und fromme Phrasen längst verhallt sind, wo Menschen fest zusammenhalten und dabei diese Welt umarmen und für sie streiten, Tag für Tag, auf Augenhöhe: Frau und Mann, und was die Schöpfung sonst noch kennt. Wo Einer nicht nur etwas gibt, sondern sich selbst, und immer ganz für uns. Von ihm muss man erzählen in allen Farben, aller Weisheit von Tönen, Psalmen und Gebeten, die seit Jahrhunderten die hohen Räume füllen: Engelschöre mit Schall und Rauch. Regenbogentöne. Lichtkaskaden. Wer würde sonst noch von ihm sprechen, nach dem Geheimnis suchen, für das es sich zu leben lohnt – sogar zu sterben, wenn’s denn sein muss? Ein Ort, wo alle Ängste still sind, und man genau so sein darf wie man ist, mit seinen Zweifeln, seinen Leiden. Wer könnte denn nicht Sehnsucht haben nach diesem Ort, an dem die Waffen schweigen, an dem die Hände offen sind wie leere Schalen, die mehr denn je auf die Erfüllung warten? Und deshalb bleibe ich. Für meine Töchter und die Vielen, die immer noch voll Hoffnung warten auf eine Kirche, die auf den zeigt, der alleine zählt. Nur dazu ist sie da. Und sonst für nichts und niemanden. Und irgendwann in ferner Zeit wird sie nicht mehr notwendig sein,. doch heute brauchen wir sie noch als einen Ort, der Heimat für so Viele ist. So auch für mich. Trotz alledem und nach wie vor. Ich lass‘ ihn mir nicht nehmen, diesen Ort.

Quelle: Frauen machen Kirche, Patmos 2020.


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