Unsere Mundart bringt´s manchmal gut auf den Punkt. Lange Zeit war mir nicht bewusst, woher sich der Begriff "JessasMariaundJosef" überhaupt herleitet. Er drückt Erschrecken aus, etwas Unvorhergesehenes ist passiert.
Die Geschichte mit Jesus, Maria und Josef ist definitiv unvorhergesehen. Sie fand nicht im gewohnten Rahmen statt. Maria war eine junge Frau aus Nazareth. Die Nachbarn munkelten, dass Maria schwanger war, obwohl sie noch nicht mit Josef verheiratet war. Die anderen munkelten, dass durch dieses Kind Gottes Wirken für viele erfahrbar wird. Niemand redete von der Jungfrau Maria. Damals, vor 2000 Jahren.
Wie so oft in der Kirchengeschichte, hat sich vieles im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und die Hochstilisierung Marias zur Unbefleckten Jungfrau ist wohl auch so ein Irrweg, der den meisten von uns Unbehagen verursacht.
Die Welt bis zur Aufklärung war eine mystische und so verstanden die Menschen wohl auch die Botschaft des Engels an Maria. Gott wirkt auf wundersame Art und Weise durch und mit uns Menschen.
Das Bild der polnischen Künstlerin Teresa Stankiewicz hängt in der Kapelle im Greisinghof und drückt ikonenhaft diese wunderbare Begegnung Marias mit dem Göttlichen aus. Maria ist hineingestellt in die Verbundenheit von Himmel und Erde, Licht und Schatten, alles wendet sich ihr zu. Sie öffnet sich, gibt sich hin und nimmt alles in Empfang. Das Kind, das Neue findet Raum in ihr und beginnt zu wachsen. Sie ist nicht die Handelnde, sondern die Hingebende, die Beschenkte. Niemand käme beim Anblick dieses Bildes auf die Idee zu fragen - und wer ist jetzt der Vater?
Erschreckend ist, was mit dieser tiefgründigen biblischen Erzählung von der Begegnung Marias mit dem Erzengel Gabriel passiert ist. Sie wurde dogmatisiert, d.h. ich muss sie für wahr halten, sonst bin ich eine Häretikerin (Ungläubige). Mit der Aufklärung und der Moderne wurden Glaubenswahrheiten auf den Prüfstand gestellt, vieles wurde hinterfragt und vieles erwies sich als untauglich. Die Kirche reagierte darauf mit Festigung nach innen und Isolation nach außen. Die Kirche, das Papsttum, die Kleriker und Maria - vieles wurde plötzlich "unfehlbar" und zum Dogma erhoben. Und bis heute ringen wir mit den Nachwirkungen einer Kirche, die im 19. Jhdt. antimodern und weltfeindlich ihre Macht zu sichern versuchte. Und so stottern wir bis heute herum, wenn uns jemand fragt ob wir an die Jungfräulichkeit Marias glauben.
Meine Antwort als einfache Frau aus dem Volke:
Trotz schmerzlicher Erlebnisse empfinde ich die körperliche Liebe als eines der schönsten und intensivsten menschlichen Erfahrungen. Ekstase löst alle Grenzen und alles Trennende auf, schenkt uns eine göttliche Erfahrung. Verbundenheit und Eins-Sein. Diese Verbundenheit, dieses Eins-Sein kann nicht beflecken und nicht beschmutzen, wenn es in gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geschieht. Ein Orgasmus ist nicht machbar, ist immer geschenkhaft. Ein kleines Wunder. Ebenso der Empfang neuen Lebens. Jedes kleine Menschenkind, dass im Mutterleib heranwächst, ist ein Wunder Gottes. Nicht machbar, immer Geschenk. Deshalb gibt es aus meiner Sicht weder eine theologische noch eine menschliche Notwendigkeit über das Sexualverhalten von Maria und Josef zu spekulieren. Es hat keinerlei Bedeutung für unser Vertrauen in Gott. Mit ein wenig Phantasie finden wir im menschlichen Orgasmus ebenso das Wirken Gottes, wie wir es bei der Geburt eines Kindes erfahren. Und Maria und Josef waren phantasiebegabt, da bin ich mir sicher. So gesehen könnte diese Geschichte für Frauen die ungeplant, unvorhergesehen schwanger werden, eine Ermutigung sein. Das Unvorhergesehene, das Ungeplante kann uns zum Segen, zum Heil werden, auch wenn das JA zum neuen Leben manchmal herausfordernd ist.
Begriffe wie Unbefleckte Empfängnis gehören endlich aus unserem katholischen Vokabular gestrichen. Das würde ja implizieren, dass jede "normale" Empfängnis befleckt ist und da steigt mir dann endgültig die Grausbirne hoch. Übrigens: Hildegard von Bingen hat im 11. Jhdt die Sexualität von Mann und Frau ausführlich beschrieben. Wäre sie nicht erst 2012 zur Kirchenlehrerin ernannt worden, dann hätte die Sexualfeindlichkeit der Kirche wohl nicht solche Blüten getrieben. Allemal wären ihre Texte eine Grundlage für eine gute Predigt am 8. Dezember (Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria).
Kurzer Nachspann zum Schmunzeln:
Als ich als Vierjährige erfuhr, dass meine Mutter wieder schwanger war (zum achten Kind), habe ich es meiner Nachbarin erzählt, die daraufhin meinte: "JessasMariaundJosef, jetzt griagt de scho wieda a Kind! Wos sogt denn do da Papa?"
...ein "freudscher" Versprecher hat sich in mein Kommentar geschlichen. Aber JA, sowohl aus dem Leben als auch der Kunst zu lieben. ♡
Danke, Margit, für diesen "direkten", menschlichen sowie göttlichen Zugang zur Menschwerdung, die die unbedingte sexuelle (von der Kirche häufig unter den Tisch gekehrte) Liebe miteinschließt. Ich lies deine Texte so gern. Sie sind so ehrlich, unverblümt, aus dem Lieben und in tiefer Verbundheit mit Gott. DANKE