Ich nehme das Herz von Stein aus deiner Brust und schenke dir ein lebendiges Herz! (Ezechiel 36,26)
Wer kennt es nicht: der Arbeitskollege macht sich lustig über mich, die Freundin beantwortet meine letzte Einladung nicht, der Partner vergisst den Jahrestag. Was für die einen eine Kleinigkeit ist, kann für andere eine massive Kränkung sein. Eine Kränkung entsteht dort, wo ich mich als Person abgewertet fühle, mich in meiner Ehre, meinen Werten oder Gefühlen nicht ernst genommen fühle. Aber warum reagieren wir so unterschiedlich auf das Verhalten der anderen?
Sicht-Wechsel:
Unser Zusammenleben mit Menschen bringt es mit sich, dass wir – ganz oft ohne böse Absicht – verletzt werden, gekränkt werden. Diese Kränkungen führen dazu, dass unser Herz hart wird. Im Kindes- und Jugendalter sind wir dem Verhalten der Erwachsenen ausgeliefert, wir schützen unsere Seele, indem wir Mauern bauen. Diese Mauern nehmen wir ins Erwachsen-werden mit. Fühlen wir uns gekränkt, dann ist es ganz oft ein Hinweis auf eine alte Mauer, ein Hinweis auf unser hartes Herz. Wir lassen Menschen, die uns nahe kommen, abprallen. Doch nicht alle. Es gibt die einen, von denen können wir selbst klare Kritik gut annehmen, bei anderen wieder genügt oft schon ein Blick und wir fühlen uns klein und abgewertet. Meistens hat das nicht unmittelbar mit der Person gegenüber zu tun, sondern mit inneren Seelenzuständen. Das Verhalten gewisser Mitmenschen „triggert“ mich, d.h ruft in mir eine alte Verletzung hervor und schon bin ich gekränkt. Denn meistens kann uns nur etwas kränken, dem wir im Innersten selber zustimmen (d.h. ich bin es nicht wert, dass man mich ernst nimmt oder ich bin es nicht wert, dass mich mein Partner liebt)
Ein versteinertes Herz kann unsere Beziehungen sehr erschweren. Oft braucht es lange, bis wir erkennen, dass nicht der andere das Problem ist, sondern mein versteinertes Herz. Es braucht Aufrichtigkeit und ein achtsames Wahrnehmen meiner Empfindungen. (Meistens verdrängen wir den Schmerz ins Unterbewusste mit dem Gedanken – is eh ned so schlimm).
Es braucht Mut hinzuschauen. JA, ich nehme meinen Schmerz wahr und möchte mein Herz wandeln lassen. Ich möchte meine Verhärtungen loswerden. Wie kann das Eis schmelzen, wie kann harter Stein zu bröckeln beginnen? Sonne und Wärme schmelzen das Eis förmlich dahin und Wind und Wetter machen selbst einen harten Stein porös. Es braucht unser Selbstmitgefühl, Selbstliebe und Geduld. D.h. es ist zuallererst einmal gut wie es ist. Wenn ich mich gekränkt fühle, dann ist das ok. Ich kann die Kränkung liebevoll anschauen, wärmen und ihr meine Fürsorge zuteil werden lassen. Ich kann sie liebevoll Gott hinhalten. Dann kann ich mich fragen, ob es Sinn macht die Kränkung weiterzutragen oder was ich brauche um sie loszulassen. Mit dieser Methode kann ich Schicht für Schicht das harte Material abtragen. Finde ich diesen Zugang, kann ich meinen Mitmenschen, die mich kränken, sogar dankbar sein, denn sie sind eigentlich ein Spiegel für meine Seele und zeigen mir, wo ich der Heilung bedarf.
Im Gleichnis vom barmherzigen Vater, dass wir im Lukasevangelium (Lk 15,1-32) lesen, hören wir auch von einer Kränkung. Da ist der jüngere Sohn der sein Erbe einfordert und ins Leben hinauszieht. Er verprasst sein ganzes Vermögen und als er als Schweinehirte völlig am Ende ist, kehrt er reuevoll zu seinem Vater zurück. Der Vater empfängt ihn mit offenen Armen und lässt das Mastkalb schlachten und ein Fest für die Familie ausrichten. Der ältere Sohn ist gekränkt. Als er erfährt, dass der Vater ein Fest für seinen verloren geglaubten Sohn ausrichtet, wird er zornig und sagt zu seinem Vater: „So viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich ein Gebot übertreten, mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden feiern kann. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet!“ Die Antwort des Vaters macht deutlich, dass die Kränkung durch sein verhärtetes Herz ausgelöst wurde und nicht durch das Verhalten des Vaters. Er erwidert: „Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.“
Der ältere Sohn hat ein versteinertes Herz und kann nicht sehen, dass er eigentlich alles im Überfluss hat. Den materiellen Wohlstand und die Liebe das Vaters ist ihm zugesagt. Wir dürfen die Geschichte selber weiterdenken: vielleicht hat diese schmerzliche Erfahrung im älteren Sohn etwas Aufgebrochen. Vielleicht konnte auch er sich selbst erkennen, seine Verletzungen wahrnehmen, ansprechen und liebevoll loslassen. Nur ein weiches, lebendiges Herz, erkennt den eigenen Wert und die tiefe Würde, die jedem Menschen inne wohnt.
Übung:
Gehe spazieren und suche dir einen Stein als Symbol für dein Herz. Betrachte den Stein, spüre seine Härte, seine Kanten, seine Rundungen, wärme ihn in deinen Händen. Versuche mit dem Stein Verbindung aufzunehmen und bete: „Erschaffe mir, Gott, ein weiches Herz und erneuere meinen Geist in meinem Innern!“ (Psalm 51,12). Suche dir einen guten Platz für deinen Stein, wo er "weich und lebendig" werden kann.
Neige das Ohr deines Herzens
(Prolog zur Benediktregel, Benedikt von Nursia)
Höre, mein Sohn, meine Tochter,
auf die Weisung des Meisters,
neige das Ohr deines Herzens,
nimm den Zuspruch des gütigen Vaters,
der gütigen Mutter willig an
und erfülle ihn durch die Tat!
Stehen wir also endlich einmal auf!
Die Schrift rüttelt uns wach und ruft:
„Die Stunde ist da, vom Schlafe aufzustehen!“
Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht
Und hören wir mit wachem Ohr,
wozu uns die Stimme Gottes täglich aufruft:
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört,
lasst nicht zu, dass sich eure Herzen verhärten!“
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