aus Christ in der Gegenwart 1/2021
„Weil Gott es so will“ – unter diesem Titel ist bereits jetzt eines der wichtigsten Bücher des Jahres erschienen. Es enthält 150 Zeugnisse von Frauen, die sich zum priesterlichen Dienst berufen wissen. Die Sammlung zeigt: Das Thema gehört in keine Nische, sondern in die Mitte der kirchlichen Diskussion. Dieses Buch dürfte es eigentlich gar nicht geben. So, wie es aus der Sicht mancher Leute auch das Thema selbst nicht geben dürfte. Frauen sind zwar längst Theologinnen, Seelsorgerinnen, das Gemeindeleben vor Ort tragen sie ohnehin zu wesentlichen Teilen – aber der Altar ist für sie nach wie vor eine verbotene Zone. So wollen es diejenigen, die in der katholischen Kirche das Sagen haben. Dass sie außer der Tradition („Jesus hat nun mal nur Männer in den Zwölferkreis berufen“) keine wirklich zwingenden Argumente haben, stört sie nicht. Ebenso wenig, dass sie den Auszug vieler Frauen – und Männer – aus der Kirche zu verantworten haben, die sich mit der diskriminierenden Situation nicht mehr abfinden wollen.
Was wurde nicht alles versucht, um das gerechte Anliegen in Misskredit zu bringen! Frauen wurde ihre Berufung abgesprochen. Es kann ja nicht sein, was nach dem Willen und der Überzeugung der herrschenden Männer nicht sein darf! Frauen, die von ihrer Berufung berichteten, wurden als Selbstdarstellerinnen geschmäht, karikiert und lächerlich gemacht. Zugleich versuchte man, sie mit Sonntagsreden einzufangen. Oder man machte Zugeständnisse in homöopathischen Dosen, wie jüngst die Erlaubnis, künftig auf Dauer mit dem Vortragen der Lesung beauftragt zu werden (vgl. CIG Nr. 4, S. 1). Wenn die Diskussion dann immer noch rumorte, wurde an das Machtwort von Johannes Paul II. erinnert. Er wolle in dieser Angelegenheit, „die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft“, jeden Zweifel beseitigen, schrieb der Papst aus Polen vor bald 30 Jahren. So stellte er fest, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“. Göttliches Recht, keinerlei Vollmacht, Ende der Debatte – mehr Beton geht nicht.
Doch Zensur, Denk- und Sprechverbote konnten noch nie überzeugen. Im 21. Jahrhundert lässt sich sowieso niemand mehr den Mund verbieten, selbst durch einen Papst nicht. So haben verdiente Frauen (und einige Männer) nie aufgehört, die Diskussion lebendig zu halten – allem Unverständnis, allen Abwehrkämpfen zum Trotz. Ihre Ausdauer, gespeist aus der Liebe zum Evangelium und zu ihrer Kirche, ist bewundernswert.
Und irgendwann kommt dann auch der kairos, der entscheidende Moment, wo etwas aufbricht, etwas in Gang kommt. Schwester Philippa Rath kann diesen Augenblick sogar genau benennen: Es war eine Kaffeepause am Rande einer Sitzung des Synodalen Wegs. Einige Teilnehmende standen – vor Corona war dies möglich – zum Plaudern zusammen. Das Gespräch über Frauen in der Kirche verlief in den üblichen Bahnen. Irgendwann versuchten einige Bischöfe, das Thema kleinzureden. Berufene Frauen? Da werde doch ein Nischenthema gewaltig aufgebauscht. Hier gehe es doch allenfalls um Einzelfälle, die man – so war das wohl gemeint – nicht weiter beachten müsse.
Schwester Philippa gibt zu, dass sie sich das Thema nicht selbst gesucht hat. Aber genau in diesem Moment in der Sitzungspause ist ihr der sprichwörtliche Hut hochgegangen. Vielleicht sollte man treffender formulieren, dass sie da der Geist erfasst, beflügelt und davongetragen hat. Denn die Arroganz, mit der bischöfliche Entscheidungsträger die Berufungen von Frauen nach wie vor abtun, war für die Benediktinerin unerträglich. „Ich wollte dem widersprechen und den Gegenbeweis antreten“, sagt Schwester Philippa.
Ein Dutzend Frauen schrieb sie deshalb an, bat um ein Statement. Und was passierte? Schwester Philippa bekam 150 Lebens- und Berufungszeugnisse zugeschickt. Auch drei Männer schrieben. Macht in der Summe: 153. Wie in der biblischen Erzählung vom wunderbaren Fischfang. „Bloßer Zufall? Nur eine unbedeutende Zahl? Oder vielleicht doch ein leises, aber deutliches Zeichen, dass der Heilige Geist hier seine Hand mit im Spiel hat?“, fragt Schwester Philippa.
Aber auch jenseits der Symbolik: Allein schon die Zahl ist beeindruckend. Sie zeigt, dass es eben kein Randthema ist, sondern aus der Mitte der Kirche kommt. Diese repräsentieren auch die Autorinnen. Es sind nicht irgendwelche so gescholtene Aktivistinnen, keine Extremistinnen! Nein, das ist die Mitte des Volkes Gottes, junge Frauen, ältere Frauen, von Studierenden über Ordensfrauen bis zu Frauen im kirchlichen Dienst, in Seelsorge und Verwaltung.
Zum Beispiel Andrea Scherer. Die 19-Jährige studiert in Münster Theologie. „Seit ich denken kann, spielt die Kirche in meinem Leben eine große Rolle“, erinnert sie sich. Sie war Ministrantin und in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv. Von berührenden Aufenthalten in Taizé erzählt sie, und davon, wie sie nach und nach spürte, dass da noch mehr sein könnte: die Sehnsucht, das Leben ganz in den Dienst Gottes stellen zu wollen, von ihm gerufen zu sein. Und dann fällt der Satz, der einem fast das Herz zerreißt. „Als ich unserem Pfarrer von dem Gefühl erzählt habe, berufen zu sein, lachte er mich aus.“
Doch Andrea Scherer fand auch Verständnis: in ihrer Familie, bei ihren Freunden und vor allem bei einer Ordensfrau, der sie sich anvertraute. Mit dem Theologiestudium hat sie sich auf den Weg gemacht. Sie kann sich eine Arbeit in der Seelsorge vorstellen, vielleicht im Krankenhaus oder in der Gefängnisseelsorge. Aber: Es gibt immer wieder Augenblicke, in denen sie zweifelt, hadert mit dem, was in ihrer Kirche nicht möglich ist. Wohin ihr Weg letztlich führt? „Tief in mir spüre ich, dass Gott von mir möchte, dass ich diesen Weg gehe, dass ich seinem Ruf folge. Ich bilde mir nicht ein zu wissen, was Gott mit mir vorhat, aber ich habe das Gefühl, dass er mich lenkt, in mir etwas entzündet und mir damit vor allem ein Geschenk gemacht hat.“
Dass immer wieder Ordensfrauen für das Thema sensibel sind, überrascht Schwester Katharina Rohrmann nicht. Sich mit Berufung auseinanderzusetzen, diese immer wieder zu prüfen – theologisch gesprochen: die Unterscheidung der Geister –, gehört schließlich auch zentral zu einem Hineinwachsen in eine geistliche Gemeinschaft. Sie selbst hat dies intensiv erfahren. Zunächst absolvierte sie eine Ausbildung, studierte Volkswirtschaftslehre, arbeitete bei einer großen Bank – bis sie den Ruf in die Gemeinschaft der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing vernahm.
Dieser Schritt, so überlegt sie, hatte „primär nichts mit der Frage nach der Frauenordination zu tun“. Doch Schwester Katharina ist dankbar, dass sie sich von ihrer Gemeinschaft auch dabei getragen weiß. Denn die 46-Jährige spürt eben auch die andere Berufung in sich: den priesterlichen Dienst auszuüben. Sie ärgert sich, wenn Bischöfe dies auf die Machtfrage reduzieren. „Es geht doch nicht um Macht! Es geht um Gerechtigkeit!“ Und darum, Menschen zu Gott zu führen, ihnen die Sakaramente, „die Geschenke Jesu“, wie sie sagt, weiterschenken zu dürfen. Schwester Katharina wünscht sich eine Kirche, „in der das Charisma und die spirituelle und fachliche Eignung Kriterien sind für das Priesteramt und nicht das Geschlecht“. Zu ihren Lebzeiten werde das wohl nicht mehr passieren, räumt sie ein. Diese Perspektive sei immer wieder schmerzhaft, und sie verstehe auch den Frust vieler Frauen. Aber für sie steht auch fest, dass sie die offizielle Bestätigung durch die Kirche letztlich gar nicht braucht, um sich ihrer Berufung im Herzen sicher zu sein. „Gott hat mich schon längst geweiht.“
Zudem gibt ihr Hoffnung, „dass der Heilige Geist einen viel längeren Atem hat als wir alle zusammen“. Und es bewege sich ja etwas, wenn auch sehr langsam. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass heute noch – wieder! – so intensiv über die Berufung von Frauen zum priesterlichen Dienst gesprochen wird?! Nicht zuletzt dank der 150 Frauen in dem Buch.
Eigentlich dürfte es dieses Buch nicht geben? Vermutlich denken das immer noch einige. Aber nein! Gott sei Dank, dass es dieses Buch gibt. Gott sei Dank vor allem, dass es diese mutigen Frauen gibt. Sie lieben Gott und ihre Kirche viel zu sehr, als dass sie sich durch die ständige Zurückweisung frustrieren ließen. Hört auf diese Frauen! Von Stephan Langer „Ich bin überzeugt, dass unsere katholische Kirche eine ,amputierte‘ Kirche ist, weil sie mehr als die Hälfte aller Gläubigen, nämlich die Frauen, von den Weiheämtern ausschließt. Im gesellschaftlichen Zusammenhang nennt man eine solche Ungleichbehandlung Diskriminierung.“ Sr. Philippa Rath im Interview mit der KNA
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